Jetzt auch noch Eisenzeit…

Das Ende der Grabungs-Saison 2023 nähert sich und damit ein seltsames Phänomen, von dem uns bereits einige Archäologen berichteten. Denn es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass immer gerade zum Ende einer Grabungskampagne plötzlich unvermutete Dinge auftauchen. Was die Archäologen natürlich quält, denn häufig handelt es sich ja um Kampagnen in fernen Ländern, die nach der Grabung erst mal wieder verlassen werden. Ob die nächste Saison dann wieder in derselben Zusammensetzung stattfinden wird , häufig genug auch wegen diverser Umstände vielleicht gar nicht mehr, steht oft in Frage.

Und so steht man dann mit neuen Fragen da und muss sich für eine erhoffte Antwort meistens bis ins neue Jahr gedulden. Und genau das passiert gerade auf Burg Wersau.

Am letzten Samstag haben sich sogar zwei kleine Sensationen aus dem Boden “gemeldet”. Aber der Reihe nach! Zunächst einmal:

Natürlicher Bewuchs… oder doch nicht?

Wenn Sie das Grundstück des Archäologieparks betreten, dann sehen sie als Erstes direkt vor sich die Grundmauern des alten Mühlgebäudes und davor die mächtigen Mauern einer Mittelalterlichen Befestigung (leider immer noch sehr oft durch Folien abgedeckt). Diese Mauern wurden in den letzten Jahren bis auf Ihre Fundamente freigelegt.

Schnitt im vorderen Burggraben

Dort gibt es direkt am Wegesrand einen Bereich, in dem wir am unteren Ende der Fundamente auf zahlreiche Holzstücke und Baumteile getroffen sind. Da diese Hölzer aufgrund ihrer Lage älter sind als die Burg selbst und die Zusammenstellung zunächst eher wahllos aussieht, waren wir bisher davon ausgegangen es handele sich um bereits vor Jahrtausenden umgestürzte Bäume aus den zu dieser Zeit hier existierenden Sümpfen.

Trotzdem entschloss man sich diese Hölzer etwas genauer zu untersuchen und weiter frei zu legen. Und tatsächlich – genau diese Hoffnung war der Grund für die Untersuchung- zeigte sich an einem der Stämme eine Bearbeitungsspur, die wir im Bild sehen. Die Kerbe in dem Balken ist nämlich eindeutig von der Art, dass hier mit einem Werkzeug gearbeitet worden sein muss.

Damit haben wir einen Hinweis darauf, das hier bereits vor der eigentlichen Burg Gebäude gestanden haben sollten. Dieser Befund rechtfertigt es jetzt dem Holz eine besondere Behandlung zukommen zu lassen, nämlich einer Datierung. Hierfür werden wir eine Probe entnehmen und diese entweder Dendrochronologisch (d.h. basierende auf Jahresringen) oder per C14 Methode genauer bestimmen. Solche Untersuchungen werden uns mindestens auf das Jahrhundert genau sagen, wann dieses Holz gewachsen ist. Sollten Werte vor dem 13. Jahrhundert dabei herauskommen, dann haben wir einen Nachweis für die Besiedelung bereits im Hochmittelalter

Zur gleichen Zeit an anderem Ort….

Auf halber Höhe im Graben eine dunkler Fleck.

Am selben Tag wurde auch noch in weiteren Gruben (der Fachmann spricht von “Schnitten”) gegraben. Und hier kam noch erstaunlicheres zu Tage. Zunächst fand sich im Boden, der eigentlich eine Tonschicht sein sollte eine Kreisrunde “Anomalie”, das heißt einfach eine andere Färbung des Bodens. Typischerweise entstehen solche Flecken entweder durch eine Störung des Bodens durch Aufgraben oder das Setzen eines Pfostens.

Das alleine kann natürlich alles mögliche bedeuten. Aber auf der selben Ebene fanden sich dann charakteristische Tonscherben. Aber nicht jene, die wir aus dem Mittelalter zu Hauf auf dem Gelände finden, sondern deutliche gröbere Ware und das ist ein Hinweis auf noch ältere Schichten.

Und dann: Metallteile! Eindeutig kleine Eisenteile, die sich natürlich längst in Rost aufgelöst haben, aber immer noch durch ein erhebliches Gewicht für Ihre Größe auffallen.

Das Erste Urteil unserer anwesenden Archäologen geht dahin, dass es sich um jüngere Eisenzeit handelt. Wir reden von ca 500 vor Christus, also Funden von vor 2500 Jahren!

Es ist nicht das Erste mal, dass wir so frühe Keramik auf dem Gelände der Burg Wersau finden. Bereits vor zehn Jahren sind bei den Ersten Grabungen nur wenige Meter vom jetzigen Fundort ähnlich alte Keramiken aufgetaucht.

Zu dieser Zeit breitete sich die Gewinnung von Eisen aus Raseneisenstein oder Raseneisenerz in Europa aus. Solche Vorkommen gibt es praktisch überall in Europa. Durch bestimmte Anzeigepflanzen (die in einem derartigen Boden besonders gut gedeihen) lässt sich das Erz meistens direkt unter der Erdoberfläche finden. Es hat zwar meist nur einen geringen tatsächlichen Eisengehalt, den kann man aber leicht mit einem sogenannten Rennofen gewinnen.

Rennöfen sind kleine Öfen, die kaminartig etwa einen Meter hoch sind und meist nur bis zu 40 cm Durchmesser haben. Diese werden mit Holzkohle befeuert und ziehen mit steigender Erwärmung durch Löcher im unteren Bereich erhebliche Mengen Luft (und damit Sauerstoff) in den Ofen. Man kann da auch mit Blasebalgen nachhelfen. Das steigert natürlich die Temperatur und so kann aus dem Eisenoxid der Sauerstoff gelöst werden. Zurück bleibt die sogenannte Luppe. Ein Eisenhaltiges Produkt, allerdings mit hohen Anteilen an Holzkohle in der es ja entstanden ist und einigen anderen Materialien.

Durch Schmieden wird dieser “Eisenschwamm” in Form gebracht, mehrfach gefaltet und Feuerverschweißt. Irgendwann bekommt man dann (nach sehr viel Arbeit!) einen frühen Stahl. Dieser kann sich zwar kaum mit dem messen, was heutzutage produziert wird, aber in einer Welt mit Holz, Kupfer und Bronze-Werkzeugen ist das natürlich ein einzigartiger Werkstoff.

Was bedeutet das für uns? Natürlich würden die Kollegen vom Arbeitskreis Burg Wersau jetzt gerne großflächig nach einem Rennofen suchen. Die werden nach dem Brand zerstört um an die etwa fußballgroße Luppe zu kommen. Aber ein charakteristischer Fleck mit Holzkohle und einer Lehmhülle bleibt natürlich übrig.

Natürlich bleibt die Frage offen, ob hier nur temporär eine Rasenerzfund verhüttet wurde und die frühen Schmiede danach weitergezogen sind. Oder haben die sogar hier direkt am Kraichbach gesiedelt? Ist es Zufall, das an dieser Stelle tausend Jahre später eine Burg entstand oder war das Gelände immer besiedelt?

Fragen mit denen wir natürlich aufgeregt in die Winterpause gehen, denn in den kommenden Wochen wird sich das nicht mehr beantworten lassen.